Mittwoch, 30. März 2011

Militär verhaftet Kritiker

Am 28. März hat die Militärpolizei zwischen drei und vier Uhr morgens die Wohnung von Maikel Nabil Sanad gestürmt und ihn verhaftet. Sanad, einziger Wehrdienstverweigerer Ägyptens, Friedensaktivist und seit langem ein Kritiker des ägyptischen Militärs hatte zwei Wochen zuvor einen Artikel auf seinen Blog gestellt, in dem er die Rolle des Militärs während der Revolution analysiert - und zu dem Schluss kommt: Militär und Volk gingen nie Hand in Hand, wie es ein populärer Slogan unterstellt. Das Militär habe immer seine eigenen Interessen verfolgt, und diese, auch mit Hilfe einer sorgfältigen Öffentlichkeitsarbeit und "psychologischen Kriegsführung" erfolgreich durchgesetzt. "Wir sind den Diktator losgeworden, aber nicht die Diktatur", schreibt Sanad.

In einem Interview mit der taz hatte Sanad schon vor einigen Wochen gesagt, er sei in Gefahr. Auch während der Revolution war er festgenommen, sexuell genötigt und verprügelt worden.

Sanad steht nun wegen Verleumdung des Militärs, Verbreitung falscher Informationen und Gefährdung der öffentlichen Ordnung vor einem Militärgericht. Die nicht-öffentliche Verhandlung soll nach Angaben von Verwandten am Sonntag stattfinden. Unterstützer_innen haben sich am Donnerstag vor dem Gerichtsgebäude versammelt, sie berichten, sie sehen sich selbst in großer Gefahr und halten ständigen Telefonkontakt, um sicherzugehen, dass niemand von ihnen verhaftet worden ist.

Das Militär zu kritisieren ist in Ägypten auch nach der Revolution ein Tabu. Die Armee ist der wichtigste Wirtschaftsakteur, es wird geschätzt, dass rund 25 Prozent des BIP über die Armee laufen, sie besitzt Hotels, Land, Lebensmittelbetriebe, Fabriken.

Montag, 28. März 2011

Zurück auf den Tahrir

Die Bewegung in Ägypten zieht aus dem zunehmend härteren Vorgehen des Militärs Konsequenzen: Für kommenden Freitag rufen verschiedenen Bündnisse gemeinsam mit Gewerkschaften zu einem "Millionenmarsch" gegen das kürzlich beschlossene Gesetz auf, das Streiks und Proteste verbietet.
 
Let's save our revolution. It's time we go back to the streets and fight for our rights.                                    Aufruf auf Facebook

Gesetze

Trotz Beschwerden von Amnesty International und anderen Menschenrechts-organisationen hat das ägyptische Militär sich bisher zu den Foltervorwürfen und den Verurteilungen von Protestierenden geäußert. In einem Interview behauptete ein Sprecher des Militärs, er habe die Namen der Betroffenen - etwa Ramy Essam oder Aly Sobhy - nie gehört.

Stattdessen wurde am Mittwoch, den 23. März ein neues Gesetz erlassen: Es verbietet jede Art von Protest, der das reibungslose Funktionieren von öffentlichen Institutionen oder privaten Unternehmen beeinträchtigt, die Teilnahme oder der Aufruf wird mit Gefängnis oder einer Geldstrafe bestraft. Das Gesetz richtet sich sowohl gegen Streiks - die seit der Revolution enorm zugenommen haben - als auch gegen die andauernden Proteste der jungen Aktivist_innen. Wenige Stunden, nachdem es beschlossen worden war, hat das Militär es bereits angewandt um die besetzte Kairoer Universität zu räumen. Dort hatten die Studierenden wie an anderen Universitäten des Landes mit Streiks den Rücktritt der Universitätsleitung gefordert, die noch vom alten Regime eingesetzt wurde.


Kairo, 27.März - Demonstration gegen das Anti-Streik-Gesetz

Am Freitag darauf protestierten 1000 Menschen, viele davon Studierende, gegen das Gesetzt, am Sonntag waren es bereits 5000. Die Demonstrationen blieben nach Aussagen von Teilnehmer_innen friedlich, das Militär griff nicht ein.

Dienstag, 22. März 2011

Folter I

Vor einigen Tagen haben wir über die Räumung des Tahrir-Platzes am 9. März berichtet und geschrieben, alle Gefangenen seien am nächsten Morgen freigekommen. Dem war, wie sich in den folgenden Tagen herausgestellt hat, nicht so.

Viele Protestierende sind in Schnellverfahren durch Militärgerichte zu ein bis drei Jahren Haft verurteilt worden. Eine ägyptische Anwältin spricht von bis zu 200 Gefangenen, von einem Teil sei bis heute nicht bekannt wo sie sich befinden. Diejenigen Aktivist_innen die inzwischen freigelassen wurden, berichten von brutaler Folter und sexuellen Übergriffen, während sie im Ägyptischen Museum festgehalten wurden (die Polizei nutzt Teile des Museums als temporären Stützpunkt).

Ramy Essam - Quelle: Facebook

Der Aktivist Ramy Essam, der während der Proteste mit seinen selbstkomponierten Songs bekannt wurde, hat ein Video auf seine Facebook-Seite und Youtoube gestellt, auf dem er über die Folter berichtet und die Spuren zeigt. Andere sind seinem Beispiel gefolgt und haben öffentlich gemacht, wie die Soldaten sie im Ägyptischen Museum behandelt haben: Etwa der Schauspieler Aly Sobhy oder die junge Aktivistin Selma Al Hosseini Gouda.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat die Berichte von Festgenommenen gesammelt. In einer Erklärung vom 11. März verurteilt sie die Misshandlungen von Gefangenen und die Verurteilungen von Zivilisten vor Militärgerichten: Diese Praktiken würden eher an das "alte Ägypten" erinnern, nicht an das Ägypten, auf das so viele hoffen.

Die meisten Aktivist_innen haben auf die Ereignisse zunächst ungläubig bis geschockt reagiert. "Wir hätten nie gedacht, dass das Militär so etwas tut", sagt Fatima, 25, eine Freundin von Ramy. "Wir dachten, die Militärs stehen auf unserer Seite. Wir haben ihnen vertraut." "Ich dachte zuerst das wäre ein Einzelfall", sagt auch Hamid, 21. "Aber nach allem, was jetzt herauskommt, war es das nicht." Überwachung, Folter, Willkürliche Verhaftungen - dafür war zu Mubaraks Zeiten die verhasste Sicherheitspolizei zuständig. "Wir haben die Sicherheitspolizei nicht vertrieben, damit jetzt das Militär dasselbe macht!" sagt Hamid. "Wir dachte, das wäre jetzt ein für alle mal vorbei!"

Die Stimmung in der Bewegung hat sich seit Bekanntwerden der Folterfälle und willkürlichen Verurteilungen von Protestierenden verändert: In die erste Euphorie, die Freude über das Errungene, die neue Freiheit überall sprechen, handeln zu können schleicht sich zunehmen wieder Zweifel, Angst, die Erkenntnis, dass die Revolution noch lange nicht gewonnen ist.

Hamid und seine Freunde zumindest sind wieder vorsichtiger, was sie auf offener Straße sagen. Er hat sich eine neue E-Mail-Adresse zugelegt, in der nicht sein richtiger Name steht. "Niemand weiß in welche Richtung sich das alles entwickelt", sagt er. "Niemand weiß momentan, wo das Militär wirklich steht."

Einen ausführlichen Artikel dazu gibt es auf Telepolis:
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/34/34397/1.html

Eine Sammlung von übersetzten Videos und Berichten findet sich auf der Seite:
www.humanrightsegypt.blogspot.com

Mehr zum Thema folgt...

Sonntag, 20. März 2011

Wahltag II

Die Ergebnisse sind raus, wie Al-Jazeera bericht: 
77 Prozent haben demzufolge mit "Ja" gestimmt. Wer hätte es gedacht...

Wahltag I



Die Talat Harb Grundschule liegt versteckt am Ende einer schmalen Gasse, durch ein geschwungenes Tor betritt man einen staubigen Hof, um ihn zieht sich eine Balustrade aus dunklem, in der Sonne aufgeplatztem Holz. Mehrere hundert Menschen, viele im Anzug, mit Krawatte, stehen in jenem Teil des Hofes, auf den der Schatten der alten Gemäuer fällt. Warten, unterhalten sich gedämpft, warten, schlürfen einen Tee, fächeln sich Luft zu, sehen sich um und warten weiter, über Stunden, ohne auch nur eine Spur von Ungeduld zu zeigen.

Vier Frauen posieren vor der Schlange, recken die Daumen in die Luft, an denen rosa Farbe klebt, eine fünfte fotografiert. Sie können gehen - sie haben schon gewählt. Eine Gruppe Jugendlicher kommt an, sie kreischen, fallen sich in die Arme, viele haben sich leuchtend bunte Schilder mit "Nein!" auf die T-Shirts gepinnt. "Nein! Nein!" rufen sie im Chor und stimmen einen der Revolutionssongs an, die Umstehenden sehen erst zu, versuchen sie dann zur Ruhe zu bringen: "Nicht hier!"

An die Vorgabe, keine Meinung zur Verfassung zu äußern, hält sich am Tag der Abstimmung fast niemand. Viele haben sich aufs T-Shirt gemalt, wie sie stimmen werden, direkt vor dem Wahllokal hängt quer über die Straße ein Transparent, das zum "Nein" auffordert.

Die Kontroversen über die Verfassung und die politischen Diskussionen der letzten Wochen haben viel mehr Menschen in die Wahllokale gebracht als die letzten Jahre: Haben Schätzungen zufolge die letzten Jahre rund 10 Prozent der Wahlberechtigten abgestimmt, so waren es dieses Mal ersten Informationen zufolge über 40 Prozent. Nicht nur in der Talat Harb Schule, in allen Wahllokalen landesweit bildeten sich lange Schlangen - etwa in Kairos Vororten, wie dieses Youtube-Video zeigt...


Samstag, 19. März 2011

Out of Topic

Hi Ihr alle,

wir wollen den Blog auf Englisch übersetzen! Damit mehr Leute ihn lesen können, vor allem aber damit unsere Freunde hier in Ägypten ihn lesen, ergänzen, mitdiskutieren können...

Deshalb: Wenn Ihr Lust und Zeit habt entweder einzelne Posts zu übersetzen oder englische Muttersprachler_innen kennt, die übersetzte Posts gegenlesen können, meldet Euch unter translation-springtime-egypt[at]riseup.net.

Danke!!!
Und weiterhin viel Spaß beim Lesen...

Freitag, 18. März 2011

Verfassung II


Freitag. Letzter Tag vor der Verfassungsabstimmung. Verschiedene Jugendnetzwerke und liberale Parteien haben erneut auf den Tahrir-Platz gerufen, dieses Mal, um gegen die Verfassung zu mobilisieren. Auf dem Platz und in den Straßen ringsum, überall ist das "la" (nein) derer, die gegen die Verfassung stimmen wollen, zu sehen. "Für was stimmst du?" rufen die Leute quer über die Straße Bekannten und Unbekannten zu. "Nein!" "Warum?! Wir brauchen Stabilität!" "Aber einen neuen Diktator brauchen wir nicht!" Alle zehn Meter stehen junge Menschen und drücken jedem der vorbei geht, ein Flugblatt in die Hand.

"La" (Nein) wohin man sieht...



Verfassung I

Donnerstag Abend, in einer engen Gasse im Zentrum der Stadt. Auf den Gehsteigen und am Straßenrand stehen die Plastikstühle der Cafes dicht an dicht. Eine hochgewachsene Frau im langen schwarzen Gewand, bestickt mit uzähligen Perlen, tritt an einen Tisch, die vier Männer, die dort an ihren Wasserpfeifen ziehen, sehen auf. "Ihr musst 'Nein' stimmen!" fordert die Frau mit lauter Stimme und schüttelt die dunklen Locken.  "Diese Verfassung verrät unsere Revolution! Sie gibt dem Präsidenten zuviel Macht. Nichts wird sich ändern, wenn ihr mit Ja stimmt!" "Wenn wir mit Ja stimmen, wird ein neuer Präsident gewählt", sagt einer der Männer, "der wird sich darum kümmern, dass eine wirklich neue Verfassung geschrieben wird." "Das glaubt ihr!" ruft die Frau. Man merkt ihr an, dass sie diese Diskussion schon mehr als einmal geführt hat. "Ich sage euch: Wir sollten uns nicht auf einen Präsidenten verlassen. Wir selbst müssen dafür sorgen dass wir eine neue Verfassung bekommen!"



Sie ist mutig. Wenige Straßen weiter, wo die Tische in kleinen Gruppen unter ausladenden Bäumen stehen, verteilen zwei junge Männer Flyer, die dazu aufrufen gegen die Verfassung zu stimmen. Auf einmal steht die Militärpolizei vor ihnen und will sie verhaften. Menschen springen auf, stellen sich vor sie, Sprechchöre werden laut: "Lasst sie frei! Lasst sie frei!" und "Wir wollen eine neue Verfassung!" Die beiden kommen davon - und setzen ihre Arbeit eine Straße weiter fort.
Am Samstag wird über die neue Verfassung abgestimmt. Ein vom Militär ernanntes Gremium hat sie ausgearbeitet, nun soll sie, gerade einmal einen Monat nach der Revolution, durch eine Volksabstimmung abgesegnet werden. Die Jugend-Netzwerke die die Proteste zum großen Teil getragen haben, rufen dazu auf Nein zu stimmen, ebenso die liberalen Oppositionsbündnisse und -Parteien. Sie kritisieren, die Verfassung sei fast dieselbe wie zuvor, die Amtszeit des Präsidenten sei nun zwar auf zwei Amtszeiten begrenzt, er habe aber nach wie vor fast unbegrenzte Macht. "Wer sagt uns dass wir nicht den nächsten Mubarak bekommen?" fragt Ismail, ein Aktivist der Bewegung "Jugend für soziale Gerechtigkeit und Freiheit". Die radikal-islamischen Muslimbrüder hingegen rufen ihre Anhänger_innen auf, mit Ja zu stimmen. Prognosen darüber, wie die Abstimmung ausgehen wird, gibt es bisher nicht.
Dafür umso mehr Diskussionen - und eine zunehmend angespannte Stimmung in der Stadt. Das Militär hat verboten, in den Medien über die Verfassung zu berichten oder in der Straße Werbung für oder gegen sie zu machen. Ungeachtet dessen streifen unzählige kleine und größere Gruppen durch die Stadt, Button mit "Nein" an der Schulter, verteilen Flyer, verwickeln jeden und jede in ein Gespräch. Aktivist_innen berichten von heftigen Streits mit ihren Eltern, die Ja stimmen wollen und den Jugendlichen vorwerfen, Unruhe und Unsicherheit im Land zu verbreiten sollten sie sich gegen die neue Verfassung wenden.

Das Militär hat angekündigt, am Samstag, dem Tag der Abstimmung, keinerlei öffentliche politische Äußerung zuzulassen. Auch Diskussionen in der Straße sind offiziell verboten. Mehrere zehntausend zusätzliche Soldaten und Polizisten sollen an diesem Tag eingesetzt werden, um den Verlauf der Wahl zu überwachen. Wie diese ablaufen soll, war bis vor wenige Tag unklar. Jetzt heißt es: Es gibt keine Wahlbezirke, jeder kann mit seinem Personalausweis wählen wo immer er möchte. Wer versuche, doppelt zu wählen, droht das Militär, werde mit zwei bis vier Jahren Haft bestraft. Wie das kontrolliert werden soll ist bisher unklar. Unabhängige Wahlbeobachter soll es keine geben.

Donnerstag, 17. März 2011

Freundeskreise

Monument der Revolution: Die ausgebrannte Parteizentrale der NDP im Sonnuntergang...



Es gibt ein Leben vor und nach der Revolution. Für die meisten der jungen Menschen, die auf dem Tahrir-Platz demonstriert haben, bis das Regime zusammenbrach, hat sich in wenigen Wochen alles verändert: ihr Alltag, ihre Ziele, die Menschen, mit denen sie feiern, sich verabreden, diskutieren.

Es ist sehr schwer, jemanden zu finden, der schon vor Januar politisch aktiv war. Für die meisten beginnt ihr politisches Engagement mit dem 25. Januar, für den mehrere Netzwerke wie die "Jugend des 6.April" zu einer Groß-Demonstration aufgerufen hatten. Niemand, nicht einmal die Organisatoren hätten erwartet, dass, angeheizt durch die Ereignisse in Tunesien und verbreitet über soziale Netzwerke wie Facebook, weit über eine halbe Million Menschen zur Demonstration auf den Tahrir-Platz kommen würden.

"Ich hatte über Facebook von der Demonstration mitbekommen und wollte hingehen", erzählt Fatima, 25, "aber ich habe niemanden gefunden, der mit mir kommen wollte. Also bin ich allein gegangen, habe dort einen Freund getroffen - und bin direkt dort geblieben." 18 Tage lang, bis Präsident Mubarak zurücktrat und die tagelangen Feiern vorüber waren. Jetzt ist nichts mehr wie zuvor: Die Nachmittage und Abende verbringt die Lehrerin jetzt auf Treffen, mit Vernetzung und Pressearbeit, sie ist kaum noch zu Hause. Ihren alten Freundeskreis hat sie fast komplett verloren: "Die meisten waren gegen die Revolution. Die können nicht verstehen, warum ich das mache."

Ihr neuer Freundeskreis ist die Gruppe, mit der sie auf dem Tahrir Tag und Nacht ausgeharrt, gekämpft, gefeiert hat. Mit ihnen hat sie eine politische Gruppe gegründet, sie treffen sich um in Cafes zu gehen oder zu feiern. Immer wieder klappt einer den Laptop auf, lässt Videos laufen und die Songs, die während der Revolution entstanden sind, zeigt die Bilder von den Zeltstädten auf dem Tahrir, dem dürftigen Dosenessen, die übermüdeten Gesichter, die Kerzen, die sie an dem Platz aufstellen, an dem einer von ihnen während der Proteste umgekommen ist. "Die Erlebnisse haben uns unglaublich zusammengeschweißt. Ich habe meine Freunde verloren, aber ich habe neue Freunde getroffen, so tolle Menschen die ich sonst vielleicht nie getroffen hätte." Auf dem Tahrir-Platz sind zahlreiche Freundschaften gewachsen, haben sich zahlreiche "Revolutions-Pärchen" gefunden.

...und vom Nil aus gesehen.


Die Umbrüche, die die Revolution auch ins private Umfeld getragen hat, sind nicht immer einfach zu verkraften. Hamid, 21, ist immer noch dabei, sein Leben nach den Erlebnissen auf dem Tahrir-Platz neu zu ordnen. Eigentlich wollte er nur möglichst schnell ins Ausland. Dann kam die Revolution und warf alle Pläne um. Zuvor war er nie auf einer Demonstration, jetzt lernten er und seine Mitstreiter per Mail von den jungen Tunesiern, die einige Wochen mehr Erfahrung hatten: Mit Zitronensaft getränkte Tücher gegen das Tränengas. Wie man Gruppen bildet, die Verteidigung organisiert.

Hamid war auf dem Tahrir-Platz, bis der letzte Rest des Camps dort am 9. März geräumt wurde. Seine Familie stand - im Gegensatz zu den vielen anderen - hinter ihm. Mit seinen bisherigen Freunden hingegen kann er nichts mehr anfangen. "Die verstehen nicht, was ich erlebt habe, was mir jetzt wichtig ist." Er bleibt allein mit den neuen Erfahrungen: der Gewalt, die er mitbekommen hat, der Angst, den Albträumen, mit dem Wunsch trotz allem weiter für den Wandel zu kämpfen. Es ist kein einfaches Unterfangen Gleichgesinnte zu finden in dem Vorort von Kairo, wo er wohnt - und einer politischen Kultur, die bisher kaum über feste Strukturen oder Treffpunkte verfügt und sich vor allem auf virtuelle Diskussionen und spontane Aktionenen stützt.

Kleinigkeiten II

"Veccia! Veccia!" rufen die Müllsammler, die durch die Straßen ziehen. Ein Schweizer Künstler, der mit einem Stipendium für ein Jahr in Kairo lebte, um die Atmosphäre der Stadt aufzuzeichnen, erklärt uns den Ursprung des Wortes: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als Ägypten englisches Protektorat war, sammelten hauptsächlich Italiener den Müll in den Straßen ein - und riefen dabei "roba vecchia" (alte Sachen). Kolonialspuren...

Medienlandschaft

Die Zeitungen in Ägypten haben derzeit Probleme von denen viele europäische Printmedien nur träumen können: Mit der Revolution hat sich die Zahl der Leser vervielfacht. Die Zeitung Al-Masr Al-Youm, eine der wichtigsten ägyptischen Zeitungen und schon vor der Revolution relativ unabhängig, hatte im Januar noch 250 000 Leser - einen Monat später waren es 560 000. Anderen Zeitungen geht es ebenso. "Die Menschen interessieren sich auf einmal sehr für Politik, sie diskutieren, sie wollen Informationen", sagt Fathy Abou Hatab, Journalist und bei Al-Masr Al-Youm für das Online-Portal zuständig. Einen Teil der neuen Leserschaft verdanken die zahlreichen ägyptischen Zeitungen der Politik der alten Regierung: "Als sie das Internet für Tage abgeschaltet hat, ist die Zahl der Leser sprunghaft angestiegen."



Bis vor wenige Wochen sei der Arbeitsalltag der Journalisten durch eine starke Selbstzensur geprägt gewesen, Informationsbeschaffung, vor allem von offiziellen Quellen, war schwierig und nur möglich über enge Kontakte in die Ministerien. Wer die unsichtbare Linie des erlaubten überschritt - etwa Kritik am Präsidenten oder an wichtigen Personen der Wirtschaft - erhielt einen Anruf oder Brief von der Staatssicherheit, wie Hatab erzählt. Das ist vorbei. Nur noch wenige Bereiche, etwa interne Streitigkeiten im Militär, gelten als Tabu. "Ansonsten sind wir in der Berichterstattung gerade völlig frei."

Für die Journalisten und Medien ist die derzeitige Situation eine riesige Chance - und eine Herausforderung. Es mangelt an gut ausgebildeten Journalisten, an Erfahrung mit Recherche, der Beschaffung von Informationen und ihrer Darstellung, wenn nicht mehr Selbstzensur oder Regierung über Inhalte und Formulierungen entscheiden. "Bei uns geht es gerade hauptsächlich um Qualität und wie wir sie garantieren können", sagt Hatab. "Wir haben jetzt eine große Verantwortung."

Dienstag, 15. März 2011

Doch mein Land



Das Bild, das Freunde aufgenommen haben, zeigt einen Mann, der während der Proteste auf dem Tahrir-Platz unter einem großen Plakat auf dem Boden liegt: „Ich habe einen Pass, um zu gehen“, steht darauf. „Aber jetzt bleibe ich hier.“

Er ist nicht der einzige: Viele der jungen Leute, die an der Revolution beteiligt waren, erzählen, dass sie längst geplant hatten, nach Frankreich, Deutschland, in die USA zu gehen, weil sie in ihrem Land keine Perspektive sahen. Auch Karim, 21, der Erdöl-Ingenieurwesen studiert. "Ein Semester noch, dann bin ich fertig", sagt er. "Dann wollte ich in die USA oder, falls das nicht klappt, in einen der Golfstaaten gehen." Dann hat er wochenlang auf dem Tahrir-Platz gegen das Regime gekämpft, die Revolution mitbekommen. Und will bleiben, wie viele andere auch. Zumindest für den Moment haben sie alle Hoffnung, dass sich dauerhaft etwas ändern kann, die Erstarrung, die Polizeiwillkür, die Korruption ein Ende finden wird. "Ich habe schon von vielen gehört, die zurückkkommen wollen nach Ägypten", sagt Hamid, ein Mitglied der Jugendbewegung "Youth for social justice and freedom". Oder die schon zurückgekommen sind.

„Das ist jetzt mein Land“, ist häufig und voller Stolz zu hören. Vor der Revolution war die ägyptische Flagge, so wird uns erzählt, kaum irgendwo zu sehen. Jetzt könnte man denken, Ägypten hätte gerade die Fußballweltmeisterschaft gewonnen: Die drei Farben der Flagge – weiß, schwarz, rot – sind an Mauern, Bäume und Kinderwangen gemalt, an den Freitagen tragen viele Menschen bunte Bänder um die Kopf, schwenken hingebungsvoll die Fahne oder hängen sie in Übergröße aus den Fenstern. Auf einer besonders großen Fahne, die in einer der zentralen Straßen nahe des Tahrir-Platzes hängt, steht gemalt: "Danke an die Jugend Ägyptens! Gratulation für was ihr getan habt!"

Sonntag, 13. März 2011

Diskussionskultur

Das neue Ägypten beginnt an jeder Straßenecke. In den Cafes, auf Plastikstühlen, die in den Nebenstraßen unter staubigen Bäumen stehen, auf den breiten Wegen, die entlang von Läden und Hotels um den Tahrir-Platz führen. Überall stehen, sitzen, lehnen die Menschen, Männer und Frauen - und diskutieren. Über Politik. Die Revolution. Das Land. Über alles, was auf einmal zur Debatte steht. "Das ist die wirklich entscheidende Veränderung", sagt uns Yussuf, ein Aktivist, mit dem wir unterwegs sind. "Eine Regierung zu verändern, das ist nur eine formelle Sache. Die wirkliche Veränderung findet in den Menschen statt."

Jetzt ist es möglich, in einem Imbiss zwischen Leuten zu sitzen und laut über Politik zu reden, Witze über Polizei oder die Regierung zu machen. Ist das nicht mehr gefährlich? Nein, sagen alle und schütteln den Kopf, jetzt nicht mehr. Vor wenigen Wochen noch wären solche Unterhaltungen undenkbar gewesen – nicht nur die Angst vor Repression, auch das Desinteresse an jeglichen politischen Themen, sagt Yussuf, hat die Menschen stumm gemacht. „Die Menschen hatten alle resigniert. Man kann ohnehin nichts ändern, dachten wir.“

"Tag der Einheit" auf dem Tahrir


Jeden Freitag ist Demo-Tag: Dann sammeln sich die Menschen nach dem Freitagsgebet wieder auf dem Tahrir-Platz, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen – etwa der Forderung nach Bestrafung derer, die verantwortlich waren für die zahlreichen Toten und Verletzten oder die Auflösung der Sicherheitspolizei. Diese Woche steht die Demonstration noch unter  Thema – diese Woche ist es die Versöhnung zwischen Christen und Muslimen. Nach den Auseinandersetzungen zwischen Kopten und Muslimen in einem Kairoer Vorort, bei denen mindestens elf Menschen getötet wurden, gehen nun mehrere Zehntausend auf die Straße um zu protestieren gegen diese „Spaltung“ der Bewegung (die fast alle hier der Sicherheitspolizei in die Schuhe schieben, die ein Interesse habe, die Spannungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen aufzunutzen und Konflikte heraufzubeschwören). 

Die Demonstration ist groß, friedlich und feiert einmal mehr überschwenglich die Revolution. Überall sind Kreuze zu sehen, wehende Flaggen und das Zeichen, das schon während der Revolution auf vielen Plakaten prangte: Der islamische Halbmond mit dem christlichen Kreuz verschränkt.



Neben denen, die hier die letzten Wochen schon protestiert haben, sind auch zahlreiche „Revolutionstouristen“ aus Ägypten da: Junge und ältere Leute, die aus Alexandria, Assuan oder Sharm el-Sheik angereist sind, um mit eigenen Augen den Ort des Geschens zu sehen und sich, das Victory-Zeichen formend, vor der feiernden Menge mit dem Handy fotografieren. Ein Volksfest, das bis in den späten Nachmittag geht...

Kleinigkeiten I



Abend am Nil. Auf dem träge dahinfließenden Wasser glitzern die gespiegelten Lichter der Ausflugsboote, die leer am Ufer dümpeln. Den Mangel an Gästen versuchen die Besitzer der Boote und die fliegenden Händler mit umso lauterer (und vollkommen übersteuerter) Musik zu übertönen.
Am Ufer gegenüber, auf der Insel Gezira, verkaufen drei einfach gekleidete Männer, einer noch fast ein Kind, eine Art Süßkartoffeln, die sie in einem selbstgebauten, schiebbaren Ofen rösten. Wir kaufen eine, der Junge wickelt uns die heiße Kartoffel in einige Blätter einseitig bedrucktes Papier. Als wir sie gegessen haben, drehen wir das Papier um, neugierig was darauf steht: Ein Artikel aus der New York Times über Einsteins Relativitätstheorie.Abend am Nil. Auf dem träge dahinfließenden Wasser glitzern die gespiegelten Lichter der Ausflugsboote, die leer am Ufer dümpeln. Den Mangel an Gästen versuchen die Besitzer der Boote und die fliegenden Händler mit umso lauterer (und vollkommen übersteuerter) Musik zu übertönen.

Am Ufer gegenüber, auf der Insel Gezira, verkaufen drei einfach gekleidete Männer, einer noch fast ein Kind, eine Art Süßkartoffeln, die sie in einem selbstgebauten, schiebbaren Ofen rösten. Wir kaufen eine, der Junge wickelt uns die heiße Kartoffel in einige Blätter einseitig bedrucktes Papier. Als wir sie gegessen haben, drehen wir das Papier um, neugierig was darauf steht: Ein Artikel aus der New York Times über Einsteins Relativitätstheorie.

Freitag, 11. März 2011

40 Tage ohne

Überall präsent: Die Erinnerung an den 25. Januar, der Tag, an dem die Revolution begann


Sie ist zurück: Seit Donnerstag sind wieder Polizisten in ihren dunkelblauen Uniformen in den Straßen zu sehen. Sie galt seit langem als korrupt und äußerst brutal - mehrmals haben Polizisten Menschen auf offener Straße zu Tode geprügelt. Die Proteste hatte die Polizei anfangs rücksichtslos bekämpft, ehe sie von einem Tag auf den anderen völlig aus dem öffentlichen Raum verschwand.

Die Rolle der Polizisten beschränkt sich nun darauf, zu zweit auf Kreuzungen oder am Rand der Straßen zu stehen und so zu tun als hätten sie einen Einfluss darauf, wann und wie sich die Massen von Autos in Bewegung setzen. Besonders wohl scheinen sie sich dabei nicht zu fühlen. Man kann es ihnen nicht verdenken. Die Polizei war und ist unbeliebt - was von daran deutlich wird, wieviele Polizei-Witze es gibt... Als sie in den letzten Wochen vereinzelt wieder zu Einsätzen geschickt wurden, kam es immer wieder zu Angriffen. In einem Fall haben sich zwei streitende Gruppen gegen die anrückende Polizei verbündet und deren Wagen angezündet, die beiden Polizisten sind darin verbrannt.

Auch jetzt freut sich kaum jemand dass die Polizei wieder da ist. Die Ägypter haben in den letzten Wochen festgestellt, dass es auch ganz gut ohne geht - und die Stadt keineswegs in Chaos und Unsicherheit versinkt. "Hat man gar nicht gemerkt, dass die nicht da waren", heißt es auf die Frage nach der Polizei häufig, oder gar: "Es war sicherer ohne die."

Ok, nochmal langsam für alle zum mitschreiben: Hobbes hatte Unrecht, in Abwesenheit einer staatlichen Ordnungsmacht fallen die Menschen nicht einfach übereinander her und das Chaos wischt jegliche Zivilisation vom Tisch...

Das Militär ist - tagsüber - übrigens nicht zu sehen. Nur vor einzelnen Gebäuden sind Panzer und Wachen postiert. Selbst bei der großen Demonstration am Freitag auf dem Tahrir-Platz war kein einziger Soldat (und kein einziger Polizist) zu sehen.

Ausgangssperre...

gilt offiziell von null Uhr bis sechs Uhr morgens. Offiziell. Tatsächlich kommt der Verkehr ab Mitternacht ziemlich zum Erliegen, auf den Straßen ist kaum noch ein
Auto zu sehen (und vor allem zu hören) - was in Kairo durchaus als erholsame Atempause gelten kann...

Männer, Frauen, in kleinen Gruppen oder allein sind allerdings auch während der Ausgangssperre noch auf den leere Straßen unterwegs, in den Stadtteilen die etwas weiter vom Zentrum entfernt sind, sitzen die Gemüseverkäufer auch spät nachts noch auf ihren Plastikstühlen auf der Straße, wärmen sich die Hände am kleinen Kohlefeuern und verscheuchen die streunenden Hunde, die zwischen zerbrochenen Steinen, Plastiktüten und Essensresten am Straßenrand herumstreunen. An manchen Straßenecken stehen verlassen die verkohlten Wracks von Polizeifahrzeugen, die die Protestierenden während des Aufstandes in Brand gesetzt haben.

In der Gegend rund um den Tahrir-Platz und um wichtige Gebäude (etwa den Sitz der allgemein verhassten Sicherheitspolizei) hat das Militär in der Nacht auf Freitag Straßensperren errichtet, hier werden alle Fußgänger gestoppt und kontrolliert. Ausländer haben nach Passkontrolle keine Probleme weiterzukommen, auch Ägypter die sie begleiten nicht. Die Militärs in ihren hellen Tarnuniformen sind meist sehr jung, viele wohl noch unter 18 Jahren alt, die meisten sind höflich bis freundlich, einzelne nutzen die nächtliche Herrschaft über eine Kreuzung jedoch durchaus, ihr Selbstbewusstsein aufzupolieren. Will man die Kontrollen umgehen, werden ganz kurze Wege durchs Zentrum (die meist über den zentralen Tahrir-Platz führen) auf einmal ziemlich lang...

Nicht nur das Militär erschwert nachts den Weg durch die Stadt: in einigen Seitenstraßen schleppen Anwohner kurz nach Mitternacht Steinbrocken auf die Fahrbahn um sie für Autos zu sperren - Überbleibsel der Selbstorganisierten Nachbarschaftsgruppen die die Viertel in den ersten Tagen der Proteste schützten. Das Regime hatte die Gefängnisse geöffnet, in der Hoffnung, dass Plünderungen und Chaos zu einer Diskreditierung der Proteste würden.




Punkt sechs Uhr morgens, die ersten Sonnenstrahlen fallen in die verlassenen Straßen, verschwinden die Kontrollposten und der Verkehr setzt wieder ein: Kolonnen von leeren Taxis, Bussen und Kleinbussen dröhnen in Richtung Tahrir-Platz.

Freunde erzählen uns, dass es diese Kontrollen im Zentrum erst seit der Räumung des Tahrir-Platzes am Mittwoch gibt.

Donnerstag, 10. März 2011

Der letzte Tag des Tahrir-Camps



Dienstag abend sind sie noch alle da: Die flachen Zelte auf den Grünflächen inmitten des Tahrir-Platzes, dicht gedrängt hinter niedrigen Gittern, um die sich hupend Autos und Busse drängen. Ägyptische Fahnen sind zwischen die Zeltplanen gespannt, überall hängen die Bilder derer, die bei den Protesten der letzten Wochen ums Leben gekommen sind. Zwei Eingäng zur kleinen Zeltstadt: Auf der einen Seite werden Frauen (von Frauen) abgetastet, auf der anderen Seite Männer, die Ordner_innen tragen Schildchen in den Farben der ägyptischen Flagge mit dem Titel 25. Januar - dem Tag, an dem mit der ersten großen Demonstration auf dem Tahrir-Platz die Revolution in Ägypten begann.

Misstrauen, als die jungen Leute das Mikrofon und Aufnahmegerät entdecken. "Wir haben schlechte Erfahrungen mit Journalisten gemacht", sagt ein Mann entschuldigend und springt davon um eine ägyptische Zeitung zu holen. Er deutet auf einen Artikel: "Sie schreiben Lügen über uns. Hier steht, die Protestierenden würden Passanten belästigen." Dennoch: Willkommen. Im Camp herrscht an diesem Abend Trubel, ein wildes Durcheinander von Stimmen, Meinungen, Bildern, jede_r will seine Fragen, seine Ansichten loswerden, das Interesse daran, wie die Revolution in Europa gesehen wird, ist groß: Was denkt Ihr über uns? Was glaubt Ihr wie es weitergeht? Die im Camp noch Verbliebenen sind größtenteils junge Männer, die Gruppe ist sehr heterogen, viele sprechen nur Arabisch, haben sich bisher wenig mit Politik beschäftigt, einige wenige sprechen Englisch oder Französisch, wissen über europäische Politik bestens bescheid. Auch einige junge Frauen sind im Camp unterwegs, sie sprechen fließend Englisch und treten sehr entschieden auf.


                           Vor der Räumung: Revolutions-Devotionalien am Rande des Tahrir

Der nächste Tag ist - überraschend - der letzte für das kleine Camp. Nach mehreren Angriffen von Schlägertrupps auf das Camp - je nach Einschätzung Anhängern des alten Regimes und/oder Schlägertrupps, die die Mubarak-Partei NDP bezahlt hat - räumt das Militär am Abend den Platz. Mehrere Leute werden bei den Auseinandersetzungen verletzt, das Militär verhaftet schließlich diejenigen, die zum Schluss noch im Camp waren sowie einen Teil der Angreifer, am Donnerstag morgen kommen alle Verhafteten wieder frei.

http://www.taz.de/1/politik/nahost/artikel/1/tahrir-platz-in-kairo-geraeumt/

Al-Jazeera berichtet von Gewalt des Militärs gegen die Protestierenden bei der Räumung:
http://english.aljazeera.net/news/middleeast/2011/03/201139175317866295.html

Die Aktivisten mit denen wir gesprochen haben und die teilweise bis zum Schluss auf dem Platz waren, haben dies nicht alle bestätigt. Die Einschätzungen bezüglich des Verhaltens des Militärs und der Bedeutung der Räumung geht, wie im taz-Artikel beschrieben, weit auseinander. So berichtet eine Aktivistin, die Militärs hätten sich durchaus korrekt verhalten, die Festnahmen seien zum Schutz der Verhafteten selbst erfolgt, die Verhafteten gut behandelt worden. Ein anderer Aktivist sieht die Rolle des Militärs kritischer: Die Militärs hätten den ganzen Tag über nicht eingegriffen, als die Protestierenden auf dem Platz von den bewaffneten Schlägertruppen angegriffen worden seien. Und als sie schließlich eingriffen, hätten sie die Protestierenden nicht verteidigt, sondern den ganzen Platz geräumt - die Angreifer hätten so ihr Ziel, die Menschen vom Platz zu vertreiben, erreicht.

Dienstag, 8. März 2011

Revolutionspoesie

Auf auf dem Weg zurück zum Hostel begegnen wir unverhofft
einer Gruppen Menschen, die gebannt einem rezitierenden Mann
zu hören...

Frauentag in Kairo



Ankunft auf dem Tahrir-Platz, einem riesigen, unübersichtlichen Platz im Zentrum Kairos. Sieben Straßen gehen von ihm ab, auf den Grünflächen in der Mitte stehen noch immer die flachen Zelte hinter Absperrband und -gittern, in denen die verbliebenen Protestierenden sich treffen, teilweise auch wohnen. Überall Menschen, Männer, Frauen, manchmal Kinder, die stehen, schauen, rufen, sich zwischen Bussen, Taxis und Pferdekarren hindurchdrängeln, von früh morgens bis spät abends in Gruppen zusammenstehen und diskutieren.

Heute, zum internationalen Frauentag am 8. März, findet auf dem Tahrir eine Kundgebung für Frauenrechte statt:


http://www.taz.de/1/politik/afrika/artikel/1/die-revolution-ist-ihre-chance/


Später am Abend, so wird uns berichtet, seien die Diskussionen zwischen den Frauen und ihren Unterstützern sowie den Verfechtern eines konservativen Frauenbildes, die sich am Rande der Kundgebung gesammelt hatten, zunehmend eskaliert. Die freie ägyptische Tageszeitung Al Masry Al Youm hat einen Artikel online, der den weiteren Verlauf gut dokumentiert.

http://jungle-world.com/artikel/2011/11/42818.html

Freitag, 4. März 2011

Ankunft



Ankunft am Kairoer Flughafen, 3 Uhr morgens. Die Frage, ob um diese Zeit Busse in die Stadt fahren, erübrigt sich: Bis 6 Uhr morgens gilt die vom Militär verhängte Ausgangssperre. Die Ankommenden, aus Ägypten oder dem Ausland, machen es sich auf den Plastikstühlen des Flughafencafes bequem. Taxifahrer bieten ihre Dienste an. Ausgangssperre? Kein Problem, sie würden auch jetzt schon in die Stadt fahren. Die meisten Gäste ziehen es vor zu warten, die niedrige Halle lehrt sich erst, als gegen 6 Uhr morgens hinter dem weißgestrichenen Flughafengebäude die Sonne aufgeht.