Monument der Revolution: Die ausgebrannte Parteizentrale der NDP im Sonnuntergang...
Es gibt ein Leben vor und nach der Revolution. Für die meisten der jungen Menschen, die auf dem Tahrir-Platz demonstriert haben, bis das Regime zusammenbrach, hat sich in wenigen Wochen alles verändert: ihr Alltag, ihre Ziele, die Menschen, mit denen sie feiern, sich verabreden, diskutieren.
Es ist sehr schwer, jemanden zu finden, der schon vor Januar politisch aktiv war. Für die meisten beginnt ihr politisches Engagement mit dem 25. Januar, für den mehrere Netzwerke wie die "Jugend des 6.April" zu einer Groß-Demonstration aufgerufen hatten. Niemand, nicht einmal die Organisatoren hätten erwartet, dass, angeheizt durch die Ereignisse in Tunesien und verbreitet über soziale Netzwerke wie Facebook, weit über eine halbe Million Menschen zur Demonstration auf den Tahrir-Platz kommen würden.
"Ich hatte über Facebook von der Demonstration mitbekommen und wollte hingehen", erzählt Fatima, 25, "aber ich habe niemanden gefunden, der mit mir kommen wollte. Also bin ich allein gegangen, habe dort einen Freund getroffen - und bin direkt dort geblieben." 18 Tage lang, bis Präsident Mubarak zurücktrat und die tagelangen Feiern vorüber waren. Jetzt ist nichts mehr wie zuvor: Die Nachmittage und Abende verbringt die Lehrerin jetzt auf Treffen, mit Vernetzung und Pressearbeit, sie ist kaum noch zu Hause. Ihren alten Freundeskreis hat sie fast komplett verloren: "Die meisten waren gegen die Revolution. Die können nicht verstehen, warum ich das mache."
Ihr neuer Freundeskreis ist die Gruppe, mit der sie auf dem Tahrir Tag und Nacht ausgeharrt, gekämpft, gefeiert hat. Mit ihnen hat sie eine politische Gruppe gegründet, sie treffen sich um in Cafes zu gehen oder zu feiern. Immer wieder klappt einer den Laptop auf, lässt Videos laufen und die Songs, die während der Revolution entstanden sind, zeigt die Bilder von den Zeltstädten auf dem Tahrir, dem dürftigen Dosenessen, die übermüdeten Gesichter, die Kerzen, die sie an dem Platz aufstellen, an dem einer von ihnen während der Proteste umgekommen ist. "Die Erlebnisse haben uns unglaublich zusammengeschweißt. Ich habe meine Freunde verloren, aber ich habe neue Freunde getroffen, so tolle Menschen die ich sonst vielleicht nie getroffen hätte." Auf dem Tahrir-Platz sind zahlreiche Freundschaften gewachsen, haben sich zahlreiche "Revolutions-Pärchen" gefunden.
...und vom Nil aus gesehen.
Die Umbrüche, die die Revolution auch ins private Umfeld getragen hat, sind nicht immer einfach zu verkraften. Hamid, 21, ist immer noch dabei, sein Leben nach den Erlebnissen auf dem Tahrir-Platz neu zu ordnen. Eigentlich wollte er nur möglichst schnell ins Ausland. Dann kam die Revolution und warf alle Pläne um. Zuvor war er nie auf einer Demonstration, jetzt lernten er und seine Mitstreiter per Mail von den jungen Tunesiern, die einige Wochen mehr Erfahrung hatten: Mit Zitronensaft getränkte Tücher gegen das Tränengas. Wie man Gruppen bildet, die Verteidigung organisiert.
Hamid war auf dem Tahrir-Platz, bis der letzte Rest des Camps dort am 9. März geräumt wurde. Seine Familie stand - im Gegensatz zu den vielen anderen - hinter ihm. Mit seinen bisherigen Freunden hingegen kann er nichts mehr anfangen. "Die verstehen nicht, was ich erlebt habe, was mir jetzt wichtig ist." Er bleibt allein mit den neuen Erfahrungen: der Gewalt, die er mitbekommen hat, der Angst, den Albträumen, mit dem Wunsch trotz allem weiter für den Wandel zu kämpfen. Es ist kein einfaches Unterfangen Gleichgesinnte zu finden in dem Vorort von Kairo, wo er wohnt - und einer politischen Kultur, die bisher kaum über feste Strukturen oder Treffpunkte verfügt und sich vor allem auf virtuelle Diskussionen und spontane Aktionenen stützt.