Vor einigen Tagen haben wir über die Räumung des Tahrir-Platzes am 9. März berichtet und geschrieben, alle Gefangenen seien am nächsten Morgen freigekommen. Dem war, wie sich in den folgenden Tagen herausgestellt hat, nicht so.
Viele Protestierende sind in Schnellverfahren durch Militärgerichte zu ein bis drei Jahren Haft verurteilt worden. Eine ägyptische Anwältin spricht von bis zu 200 Gefangenen, von einem Teil sei bis heute nicht bekannt wo sie sich befinden. Diejenigen Aktivist_innen die inzwischen freigelassen wurden, berichten von brutaler Folter und sexuellen Übergriffen, während sie im Ägyptischen Museum festgehalten wurden (die Polizei nutzt Teile des Museums als temporären Stützpunkt).
Ramy Essam - Quelle: Facebook |
Der Aktivist Ramy Essam, der während der Proteste mit seinen selbstkomponierten Songs bekannt wurde, hat ein Video auf seine Facebook-Seite und Youtoube gestellt, auf dem er über die Folter berichtet und die Spuren zeigt. Andere sind seinem Beispiel gefolgt und haben öffentlich gemacht, wie die Soldaten sie im Ägyptischen Museum behandelt haben: Etwa der Schauspieler Aly Sobhy oder die junge Aktivistin Selma Al Hosseini Gouda.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat die Berichte von Festgenommenen gesammelt. In einer Erklärung vom 11. März verurteilt sie die Misshandlungen von Gefangenen und die Verurteilungen von Zivilisten vor Militärgerichten: Diese Praktiken würden eher an das "alte Ägypten" erinnern, nicht an das Ägypten, auf das so viele hoffen.
Die meisten Aktivist_innen haben auf die Ereignisse zunächst ungläubig bis geschockt reagiert. "Wir hätten nie gedacht, dass das Militär so etwas tut", sagt Fatima, 25, eine Freundin von Ramy. "Wir dachten, die Militärs stehen auf unserer Seite. Wir haben ihnen vertraut." "Ich dachte zuerst das wäre ein Einzelfall", sagt auch Hamid, 21. "Aber nach allem, was jetzt herauskommt, war es das nicht." Überwachung, Folter, Willkürliche Verhaftungen - dafür war zu Mubaraks Zeiten die verhasste Sicherheitspolizei zuständig. "Wir haben die Sicherheitspolizei nicht vertrieben, damit jetzt das Militär dasselbe macht!" sagt Hamid. "Wir dachte, das wäre jetzt ein für alle mal vorbei!"
Die Stimmung in der Bewegung hat sich seit Bekanntwerden der Folterfälle und willkürlichen Verurteilungen von Protestierenden verändert: In die erste Euphorie, die Freude über das Errungene, die neue Freiheit überall sprechen, handeln zu können schleicht sich zunehmen wieder Zweifel, Angst, die Erkenntnis, dass die Revolution noch lange nicht gewonnen ist.
Hamid und seine Freunde zumindest sind wieder vorsichtiger, was sie auf offener Straße sagen. Er hat sich eine neue E-Mail-Adresse zugelegt, in der nicht sein richtiger Name steht. "Niemand weiß in welche Richtung sich das alles entwickelt", sagt er. "Niemand weiß momentan, wo das Militär wirklich steht."
Einen ausführlichen Artikel dazu gibt es auf Telepolis:
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/34/34397/1.html
Eine Sammlung von übersetzten Videos und Berichten findet sich auf der Seite:
www.humanrightsegypt.blogspot.com
Mehr zum Thema folgt...
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