Donnerstag, 17. März 2011

Medienlandschaft

Die Zeitungen in Ägypten haben derzeit Probleme von denen viele europäische Printmedien nur träumen können: Mit der Revolution hat sich die Zahl der Leser vervielfacht. Die Zeitung Al-Masr Al-Youm, eine der wichtigsten ägyptischen Zeitungen und schon vor der Revolution relativ unabhängig, hatte im Januar noch 250 000 Leser - einen Monat später waren es 560 000. Anderen Zeitungen geht es ebenso. "Die Menschen interessieren sich auf einmal sehr für Politik, sie diskutieren, sie wollen Informationen", sagt Fathy Abou Hatab, Journalist und bei Al-Masr Al-Youm für das Online-Portal zuständig. Einen Teil der neuen Leserschaft verdanken die zahlreichen ägyptischen Zeitungen der Politik der alten Regierung: "Als sie das Internet für Tage abgeschaltet hat, ist die Zahl der Leser sprunghaft angestiegen."



Bis vor wenige Wochen sei der Arbeitsalltag der Journalisten durch eine starke Selbstzensur geprägt gewesen, Informationsbeschaffung, vor allem von offiziellen Quellen, war schwierig und nur möglich über enge Kontakte in die Ministerien. Wer die unsichtbare Linie des erlaubten überschritt - etwa Kritik am Präsidenten oder an wichtigen Personen der Wirtschaft - erhielt einen Anruf oder Brief von der Staatssicherheit, wie Hatab erzählt. Das ist vorbei. Nur noch wenige Bereiche, etwa interne Streitigkeiten im Militär, gelten als Tabu. "Ansonsten sind wir in der Berichterstattung gerade völlig frei."

Für die Journalisten und Medien ist die derzeitige Situation eine riesige Chance - und eine Herausforderung. Es mangelt an gut ausgebildeten Journalisten, an Erfahrung mit Recherche, der Beschaffung von Informationen und ihrer Darstellung, wenn nicht mehr Selbstzensur oder Regierung über Inhalte und Formulierungen entscheiden. "Bei uns geht es gerade hauptsächlich um Qualität und wie wir sie garantieren können", sagt Hatab. "Wir haben jetzt eine große Verantwortung."

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