Sonntag, 20. März 2011

Wahltag I



Die Talat Harb Grundschule liegt versteckt am Ende einer schmalen Gasse, durch ein geschwungenes Tor betritt man einen staubigen Hof, um ihn zieht sich eine Balustrade aus dunklem, in der Sonne aufgeplatztem Holz. Mehrere hundert Menschen, viele im Anzug, mit Krawatte, stehen in jenem Teil des Hofes, auf den der Schatten der alten Gemäuer fällt. Warten, unterhalten sich gedämpft, warten, schlürfen einen Tee, fächeln sich Luft zu, sehen sich um und warten weiter, über Stunden, ohne auch nur eine Spur von Ungeduld zu zeigen.

Vier Frauen posieren vor der Schlange, recken die Daumen in die Luft, an denen rosa Farbe klebt, eine fünfte fotografiert. Sie können gehen - sie haben schon gewählt. Eine Gruppe Jugendlicher kommt an, sie kreischen, fallen sich in die Arme, viele haben sich leuchtend bunte Schilder mit "Nein!" auf die T-Shirts gepinnt. "Nein! Nein!" rufen sie im Chor und stimmen einen der Revolutionssongs an, die Umstehenden sehen erst zu, versuchen sie dann zur Ruhe zu bringen: "Nicht hier!"

An die Vorgabe, keine Meinung zur Verfassung zu äußern, hält sich am Tag der Abstimmung fast niemand. Viele haben sich aufs T-Shirt gemalt, wie sie stimmen werden, direkt vor dem Wahllokal hängt quer über die Straße ein Transparent, das zum "Nein" auffordert.

Die Kontroversen über die Verfassung und die politischen Diskussionen der letzten Wochen haben viel mehr Menschen in die Wahllokale gebracht als die letzten Jahre: Haben Schätzungen zufolge die letzten Jahre rund 10 Prozent der Wahlberechtigten abgestimmt, so waren es dieses Mal ersten Informationen zufolge über 40 Prozent. Nicht nur in der Talat Harb Schule, in allen Wahllokalen landesweit bildeten sich lange Schlangen - etwa in Kairos Vororten, wie dieses Youtube-Video zeigt...


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